Der Meltemi

(rev. 21.05.2020)

Der trockene Sommerwind der Ägäis

Es ist kein Märchen, aber es geschah vor langer Zeit und ist in meiner Erinnerung eingraviert. Die Irrfahrt von Mykonos nach Kea mit einer Charteryacht. Ein Höllenritt dem Meltemi gegenan! Bei tief blauem Himmel quälten uns zunehmende Windböen von bis zu 40 kn aus Nord und es baute sich ein gigantischer Wellengang auf. Die Jacht und wir wurden auf eine harte Bewäh-rungsprobe gestellt, denn es dauerte den ganzen Tag, bis die sichere Bucht von Kea, völlig erschöpft und durchnässt, erreicht hatten. Damals schwor ich mir, alles zu unternehmen, um nicht noch einmal in eine solche Situation zu geraten. Nun will ich das berüchtigte Hoheitsgebiet des Meltemi, die Kykladen, während der 3. Etappe meiner Segel-saison 2020 kreuzen. Aus allen möglichen Quellen bereite ich mich theoretisch auf eine sichere Fahrt vor. Dazu gehört zweifelsfrei eine „Meltemi-Lage“ rechtzeitig zu erkennen und die richtige Taktik anzuwenden. Die Infos und Daten, die für mich als „Eselsleiter“ oder Vorhersage-Checkliste dienen sollen, möchte ich auch mit anderen Seglern teilen. Eventuell hilft‘s beim nächsten Törn in der Ägäis, darum dieser Aufsatz.
Ich war recht erstaunt, aber einer der ersten Infos die mir über den Meltemi aufgefallen sind, war der Meltemi Ouzo <Infos über Link auf Flasche>. Unter Einfluss dieses Flaschengeistes wäre der beschrieben Törn womöglich in wesentlich entspannter Atmos-phäre verlaufen, oder auch nicht, wer weiß das schon!

schiffe-0106.gif von 123gif.de

<<  Meltemi ist kein Gewitter!
Für bessere Übersicht habe ich den Aufsatz in Themen unterteilt, die in den nachstehenden 5 Spoilern abgespeichert sind, mit Mausklick öffnet sich der gewünschte Inhalt.

1. Charakteristiken des Meltemi
Die wichtigsten Merkmale des Meltemi;

Wirkungsgebiet Frühling bis Herbst
Aktivität ganze Ägäis
Windgeschwindikeit 12-21 kn, in Böen bis zu 47 kn
Beaufort Skala 4- 5, in Böen bis zu  9 Bf
Dynamik tagsüber zunehmend, abends abflauend
Dauer 2– 4 Tage in Ausnahmefällen bis 12 Tage

Abb. 1 Darstellung einer stabilen Druckverteilung (Isobarenkarte) im Sommerhalbjahr Zur Erläuterung der H (Hoch)= Azorenhoch & T (Tief ) = Monsuntief
In den Sommermonaten wird meistens eine Druckverteilung wie oben abgebildet angetroffen, wodurch sich die vorherr-schende Windrichtung im ägäischen Seegebiet aus Nord bis Nord-West einpendelt. Dieser Wind, weht regelmäßig mit Windstärken von 2-4 Beaufort. Natürlich beflügelt er des Seglers Herz und sorgt für einen flotten Törn. Im Sommer-halbjahr wird er Meltemi genannt. Die Griechen nannten ihn Etesien (kommt von „etos“ = jährlich) oder im Türkischen bedeutet es „sanfter Wind“). Er pustet vorwiegend mit 4-7 Bf, kann aber innert Tagesfrist auch auf Sturmstärke zulegen.
Die meisten werden sich heute mittels Wetterkanal übers Handy oder einer Wind-APP informieren. Es gehört aber zur guten Seemanschaft, auch andere Quellen anzuzapfen. Es könnte ja sein, dass man, aus welchen Gründen auch immer, auf die Naturzeichen der Umgebung oder auf das Studium einer Wetterkarte mit Isobaren angewiesen sein sollte. In den nachstehenden Untertiteln werden diese Alternativen näher erörtert und sind mit viel nützlichem Wissen gespickt.

2. Kurzfristige Voraussagen 24 - 36 Stunden
Ein Wetter-Quiz an Bord ist nicht nur ein Zeitvertreib für län-gere Etmale sondern kann nebst Spaß auch viel Wissen bei-steuern. Sollte der Törn im Einflussgebiet des Meltemi statt-finden, lässt sich ein Quiz mit den aufgeführten Parametern durchführen. Durch regelmäßige Beobachtungen kann ein große Lerneffekt erreicht werden und zu einem sicheren Törn beitragen. Beherzigt das Sprichwort – „Übung macht den Meister“-, denn vermehrte optische Beobachtungen schärfen nicht nur die Sinne sondern ermöglichen als persönliches Rüstzeug kurzfristige lokale Vorhersagen. Als Belohnung für den Sieger eines Vorhersage-Wettbewerbs könnte ein Schluck aus der Ouzo-Meltemi Flasche winken. Nachstehend einige der wichtigsten Parameter;

Eigenschaften zunehmend trockener, kühler N–NW-Wind, ver-besserte Weitsicht, vorausgehende klare Nacht (viele Sterne) keine Taubildung an Deck
Barometer steigender Luftdruck, min. 3 bis 4 hPa in 12h
Optische Merkmale tagsüber Bildung von Cirrocumulus-Wolken, (Schäfchenwolken) aus SW bis W über das Firmament verstreut. Schon morgens über dem Festland Blumenkohlwolken und nachts zuvor kann man auch Wetter-Leuchten beobachten
Achtung Wenn der Luftdruck in der Region schnell und überdurchschnittlich Hoch ansteigt, muss mit einer längeren Starkwind Phase gerechnet werden!

Mit dem Meltemi und entsprechenden Windböen und Wellen-gang ist nicht zu spaßen

3. Übersicht berüchtigte Meltemi-Hotspots
Aus beiliegender Ägäis-Karte sind die Haupt-Windrichtung des Meltemi und seine Wirkungsweise optisch dargestellt.
Abb. 2, mit Mausklick öffnet sich die Karte
Markierte „Hotspots“ wie Düsenwirkung zwischen den Inseln und Fallwinde resp. Fallböen, je nach Topografie von Inseln und Buchten wie auch Kapwinde sind in der Meltemi-Hoch-saison mit größter Vorsicht zu begegnen.
Süd-Nord
öffnenden Buchten sollten grundsätzlich vermieden, spätestens bei aufkommen des Meltemi rechtzeitig verlassen, werden. Es droht Gefahr „eingeweht“ zu werden. Dies kann schwerwiegende Folgen haben wie Havarien oder sogar zum Schiffsverlust führen.

4. Verhaltensregeln bei Meltemi-Alarm
Sollte es der Terminplan erlauben, ist es das sicherste bei aufkommendem oder bereits aktivem Meltemi ein Auslaufen zu verschieben. Auch am Anleger oder in der Ankerbucht müssen Massnahmen zur Sicherheit getroffen werden. Nicht nur das Ankergeschirrs sollte überprüft sondern auch Belegeleinen verstärkt werden. Wo heftige Fallböen zu erwarten sind empfiehlt es sich, den Luftwiderstand des Schiffes (lose Segel, Bimini-Verdeck, Dingi etc.) zu ver-mindern. Lose Fallen sind festzuzurren oder zu spannen, denn diese sind nicht nur für die eigene Crew Nervtötend sondern auch für Nachbarschiffe ein graus!
Wenn ein Auslaufen nicht aufge-schoben werden kann, sollten nachstehende Verhaltensregeln beachtet werden;
1.) Im Aussenbereich alles fest-zurren und das laufende Gut kontrollieren.
2.) Im Innenbereich der Jacht alles Sturmfest verstauen und sichern.
3.) vorteilhaft Reff ins Segel einbinden (Hinweis unten).
4.) entsprechende Kleidung (Ölzeug) anziehen.
5.) Sicherheitsausrüstung (Weste & Lifeline) anziehen.
6.) Mahlzeit (Snacks) & warme Getränke vorbereiten.
7.) Reiseroute überprüfen & Plan B ausarbeiten.
8.) Wetterbericht nochmals prüfen!
Unterwegs ist immer mit unvorhersehbaren Ereignissen zu rechnen. Ein „Plan B“ sollte mit der Crew abgesprochen und ausgearbeitet werden. Daraus resultiert das abstecken von Nothäfen und sicheren Ankerbuchten. Bitte den Metemi-Ouzo erst nach anlegen im Zielhafen auspacken!
Hinweis zu Pos. 3: Ein zu viel eingebundenes Reff ist einfacher auszuschütten als eins einzubinden!
5. Meltemi und die Klimaerwärmung
Veränderungen durch die Klimaerwärmung sind allgegen-wärtig und können mannigfaltig beobachtet werden.

Wie lange noch?

Wie wird sich der Meltemi verhalten? Eine nicht leichte Antwort, den sie lässt sich vermutlich nur durch lang-fristige Beobachtungen und Analysen erfassen, die Klima-tologen arbeiten daran. Prog-nosen ohne Klimaerwärmung sind schon schwierig genug. Wenn die Zweifler und Igno-ranten nicht in so grosser Zahl wären, würde die Aus-wirkungen eher in den Griff zu bekommen sein. Nachstehende Punkte sind einer Überlegung wert und mahnen zur Vorsicht.

1.) Veränderungen durch Energiezufuhr
Energie durch Sonneneinstrahlung ist der Treibstoff der phy-sikalischen Abläufe in der Atmosphäre. Die Luftdrücke (H & T) sind eines der wichtigsten Merkmale in den Prozessen. Der Unterschied zwischen den Luftdrücken bewirkt Luftmassen-ströme vom Hoch zum Tief, welchen wir als Wind wahrneh-men. Die Atmosphäre ist bemüht einen Ausgleich zu schaffen. So bewirken höhere Druckdifferenzen heftigere Luftbewegun-gen welche durch die steigende Temperatur noch weiter verstärkt wird.
Ein Link öffnet die bildliche Darstellung der globalen Windsysteme, aus Klima der Erde.de

2.) Dynamische Atmosphäre
Durch die grössere Energiezufuhr werden in der Atmosphäre die Abläufe zusehends beschleunigt. Wetterfronten wechseln sich häufiger und intensiver ab. Dadurch werden Wettervor-hersagen problematischer. Das bemerkt man an den Wetter- und Wind-Apps. Die Fehlerquote steigt und die Unsicherheit der Nutzer nimmt zu. Zum dynamischen Wettermix kommt noch die Häufigkeit von außerordentlichen Ereignissen wie heftigen Stürmen, sintflutartigen Regenfälle und Hitzephasen hinzu. Durch die gestiegenen Wassertemperaturen treten immer häufiger Windhosen auf. Wann wird der erste Hurri-kane im Mittelmeer zu verbuchen sein? Die Aussichten sind getrübt und so müssen wir uns auch mit der optischen Wetterbeobachtung Vorort vermehrt auseinander setzten um besser gewappnet zu sein.

3.) Zukunft 2020
Im Jahr 2019 war das Wetter schon außergewöhnlich. Die Windvorhersagen spielten verrückt und Hitzephasen raubten die Lebenslust. Der Versuch, denn veränderten Rahmenbe-dingungen mit intensiverer Reisevorbereitung entgegen zu wirken ist gerechtfertigt. Dazu gehört auch das Studium resp. sammeln von Informationsmaterial über den Meltemi. Ich hoffe, im Sommer nicht allzu viele unvorbereitete Begegnun-gen mit ihm erleben zu müssen, wenn ja, dann nicht unvor-bereitet. Der nachstehende Aufsatz „Die Isobaren“ enthält alle wichtigen Informationen über die Möglichkeit anhand der Druckkurven die Windstärke zu berechnen. Erfahrungen mit dem Meltemi werden in den Törnberichten 2020 Einzug halten.

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