Gladiatoren der Ozeane

BRUTSTÄTTE DER NEUZEIT GLADIATOREN?

Seit das Virus grassiert, werden vermehrt ältere Filme in der Glotze präsentiert. Kürzlich flimmerte der französische Spielfilm „En Solitaire“ aus dem Jahr 2013 über den Bildschirm. Die deutsche Fassung mit dem Titel „Zwischen den Wellen“ resp. „Turning Tide“ in Englisch hat mich in seinen Bann gezogen und diesen Bericht injiziert. Wirklichkeit und Fiktion sind im Film so gekonnt verflochten, dass ein Seemannsgarn vom allerfeinsten entstanden ist.
Was ist Tatsache und wo fängt die Fiktion an? Das Vendee Globe Rennen ist Tatsache, wie auch einige der Geschehnisse im Film. Diese wurden jedoch aus ver-schiedenen Rennen teilweise herausgepickt und eingefügt. Der Rest ist Fiktion und geht einge-fleischten Seglern unter die Haut. Alle Szenen wurden auf hoher See ohne Spezialeffekte gedreht und tragen zur Glaubwürdigkeit bei. Ein wahrer Filmgenuß für Segelfreunde.
Aber nun Mal der Reihe nach. Das „einmalige“ Golden-Globe-Race von 1968 erfuhr erst im Jahr 1978 unter dem Namen „Vendee Globe“ eine Neuauflage. Seit 1978 fließen alle 4 Jahre Innovation und schier unbeschränkte Geldmittel in die wiederkehrende Ein-hand-Nonstop Regatta. Zum 50 Jährigen Jubiläum des ersten ur-sprünglichen Rennens hat Don McIntyre die Wettfahrt mit „alten“ Fahrtenjachten und ohne moderne Technik zum Leben erweckt. Die folgenden Spoilerinhalte versuchen das Thema der „Gladia-toren der Meere“ etwas zu durchleuchten.

Golden Globe Race - Geschichte & Neuauflage -
Die Sunday Times schreibt anlässlich der vollendeten Weltum-seglung des Sir Francis Chichester von 1967 ein Rennen aus. Gesucht ist der schnellste Segler, der die Circumnavigation nur mit Windeskraft, Einhand und Nonstop beendet. Das Rennen sollte zur Legende und Tragödie werden. Robin Knox-Johnston gewinnt die Regatta am 22. April 1968 als letzter verbliebener Teilnehmer.

Robin Knox-Johnston bei seiner Siegesfahrt im Jahr 1968

Sechs Schiffe müssen aufgeben, wobei der Führende des Rennens, Bernard Moitessier, statt in den Atlantik abzubiegen einfach geradeaus, erneut in den Indischen Ozean und Pazifik, weitersegelt und so auf Ruhm und Preisgeld verzichtet. Nigel Tetley’s Trimaran sinkt aber er kann durch glückliche Umstän-de gerettet werden. Donald Crowhurst, ebenfalls mit einem Trimaran unterwegs, begeht nach mysteriösem Rennverlauf Selbstmord (dazu zwei links auf Blue Whale;
<Das Buch> & <Der Film>).

Nach 50 Jahren erweckt Don McIntyre dieses mystische Ren-nen, in Gedenken an die Segellegenden von damals, erneut zum Leben. Die ultimative Herausforderung ist der Verzicht auf jegliche neuzeitliche Technik, also kein GPS und elektro-nische Kartennavigation. Die Teilnehmer dürfen nur mit 32 – 36 Fuß Langkielern aus GFK, welche noch vor 1988 in Betrieb gesetzt wurden, starten. Sie müssen unter den gleichen Rah-menbedingungen wie ihre Vorgänger vor 50 Jahren das Ren-nen starten. Welche Challenge und Herausforderung!
Der Sieger der Neuauflage 2018/2019, Jean-Luc Van Den Heede benötigt 212 Tage für die Rundum, genau 100 Tage weniger als Robin Knox Johnston vor 50 Jahren. Eine tolle Leistung, die weiteren Resultate sind unter folgendem <Link> zugänglich.

Vedee Globe - Das Folgeprojekt -
Die Vendee Globe ist ein Nonstop-Einhand-Rennen um den Globus mit Schiffen die aussehen wie futuristische Unge-heuer. Ihr Körper ist kantenlos-rundlich, glatt und geschmeidig, Flügel symbolisiert durch farbige Canvas (Segel) und ver-stellbare bleierne Kiel-bomben welche die See unter Wasser durchpflügen. Seit neuestem lernen sie mit Foilers zu „fliegen“. Die bis zu 60“ (Fuß) großen Rennziegen hüpfen toll-wütig von Welle zu Welle und fordern die ungeteilte Aufmerksamkeit des Skippers. Der Franzose Philipp Jeantot hat das ausgelaufene Einhand-Ren-nen, das „Golden Globe Race“, im Jahre 1978 wieder zum Leben erweckt. Durch neue Regeln und Innovation erlebte die Szene eine Renaissance und erzielt bis heute mit atemberau-benden Geschwindigkeiten und Etmale unzählige Rekorde.
Die Popularität erlebt Höhenflüge. Die Seegräber der Meere erfreuten sich regem Zuwachs bis die Sicherheitsvorschriften drastisch angepasst werden mussten.
Sie schafften innert Kürze den Rundumrekord von 120 auf knapp über 74 Tage zu drücken. Die Geschichte „In 80 Tagen um die Welt“ von Bestsellerautor Jules Verne aus dem 19-Jahrhundert konnte unterboten werden. Wauhhh, und das nur mit Windkraft!
Die Historie der Vedee Globe kann im folgenden Kurzfilm-Link aufgerufen werden       <Trailer Vendee Globe>

Der Spielfim Solitaire - Die Handlung -
Entgegen dem Titel handelt der Dokumentar-Spielfilm nicht über ein Kartenspiel sondern übers Segeln, das heißt, übers Extremste was der Segelsport zu bieten hat, die Vendeè Globe! Kurz vor dem Start des Rennens muss ein Segler wegen eines Unfalls ersetzt werden. Der Ersatzmann Yann springt ein und übernimmt die schwierige Aufgabe. Wegen eines beschädigten Ruders muss er auf den Kanaren einen Zwangs stopp für Reparaturen einlegen. Nach Wieder-aufnahme des Rennens bemerkt Yann erst auf hoher See, dass sich ein blinder Passagier an Bord geschlichen hat. Mit dem Jugendlichen an Bord verstößt er aber gegen die Regu-larien der Regatta und müsste Disqualifiziert werden. Versuche den ungewollten Gast loszuwerden scheitern. Auf der lebensgefährlichen Reise, die durch Wetterumschwünge, hohe Wellen und andere dramatische Ereignisse erschwert wird, nähern sich Jung und Alt an. Für beide steigert sich das Abenteuer zur echten Herausforderung. Am Ende des Ren-nens überschlagen sich die Ereignisse und es kommt zum einem unerwarteten Finale.

BW’s Resümee
Die Konsequenz der Rekordjagden ist, dass schon ein kleines Missgeschick des Skippers dazu führen kann, dass das Segel Geschoss abtaucht oder in seine Bestandteile zerlegt wird. Niemanden erstaunt die Opferbereitschaft ihrer Kapitäne, sie sind die Märtyrer resp. Gladiatoren der Meere und der Ruhm ist ihnen bei Ankunft gewiss. Die segelnden, kaum zu bändi-genden Monster sind ohne Rücksicht auf Verluste darauf ge-trimmt, in möglichst kurzer Zeit um den Erdball zu rauschen.
Ein Adrenalinrausch muss die Skipper der Rennyachten alle-samt gefangen halten um solche Risiken und Strapazen zu erdulden. Man stelle sich vor, du alleine auf weiter See ohne Audienz! Die Segeljunkies brauchen keinen enthusiastischen Applaus der sie zu neuem Wagemut anspornt oder Krafterguß beflügelt. Woher sie die Ausdauer und Motivation nehmen bleibt uns verborgen. Das Huldigen der Ozean Gladiatoren be-schränkt sich lediglich auf die Aus- und Einfahrt aus dem Hafen. Die ersten Glücklichen die ankommen, sonnen sich in der Menschenmenge und werden hochgejubelt. Fast verges-sen jene, die später Eintreffen und nur die hinteren Plätze belegen aber ebenso unmenschliches geleistet haben. Sie erhalten als Obolus nur den Stempel „Survived & Completed“. Für den Gladiator niederschmetternd aber für den Beobachter verständlich, denn die Ankunftsphase der Akteure erstrecken sich über 90 Tage und keine Audienz verfügt über eine solche Ausdauer resp. über genügend Sitzfleisch.
Eine perfekte, verrückte Show für Irrsinnige! 

Hinweis für Segelfilm-Freund
Wenn dieser Beitrag „Lust auf mehr“ entfacht hat und du ein Freund des Segelfilm-Genres bist, dann könnte dich dieser Link <Die besten Segelfilme> interessieren. Der Beitrag be-fasst sich mit dramatischen, authentischen und abenteuer-lichen Segelfilmen der letzten Dekade. Die Movies sind nach Veröffentlichungsjahr gelistet und enthalten einen Kurzbeschrieb der Handlung resp. der Story mit Bildern, diverse Links zu Hinter-grundinformationen und zu einem Trailer.

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