1956 – 1960 Hannes Lindemann

Die Seereisen des Hans-Günter Lindemann

Das Abenteuer
Seine Leistungen waren enorm, vor 65 Jahren besiegte der deutsche Arzt Hannes Lindemann nach unvorstellbaren Strapazen den Nordatlantik in einem der kleinsten Boote, die je über den „großen Teich“ gefahren sind und ging als Atlantik Paddler in die Geschichtsbücher ein.
In einem Faltkajak das nur 5,20 m lang und 87 cm breit war. Um dem kleinen Gefährt auf der langen Reise von Las Palmas de Gran Canaria bis in die Karibik etwas mehr Stabilität zu geben, versah Lindemann es mit einem einfachen Ausleger, gebaut aus einem Paddel und einem kleinen Auftriebskörper. Zwei kleine Segel sorgten bei Rückenwind für Vortrieb; das hintere Segel bot ihm zudem zeitweiligen Windschutz. Nicht weniger als 72 Tage saß er in seinem Faltboot: vom 20. Oktober bis zum 30. Dezember 1956. Zweimal kenterte er auf seiner Reise bei stürmischem Wetter – am 55. und am 59. Tag. Er verzweifelte fast nach einer Kenterung im Sturm und raffte sich wieder auf, er hatte Halluzinationen und stand vor dem Abbruch des Unternehmens. Letztlich aber war sein fest antrainierter Wille stärker: „Kurs West. Nicht aufgeben!“
In den 72 Tagen der Atlantiküberquerung verlor er 25 Kilogramm. Er führte seinen Erfolg auf die sorgfältige mentale Vorbereitung seiner Reise durch autogenes Training und Autosuggestion zurück.

Der wissenschaftliche Ansporn
Als interessierter Arzt von Erzählungen überlebender Schiffsbrüchiger wollte er die Auswirkungen auf den Menschen vom wissenschaftlich-medizinischen Aspekt auf den Grund gehen.
Mehr als 13 Monate soll der Schiffbrüchige José Salvador Alvarenga im Pazifik dank Tierblut und Urin überlebt haben. Kollegen erinnern sich laut Medienberichten, wie er damals, Ende 2012, in Mexiko in See stach und nie mehr wiederkehrte.

Lindemann weckte Zweifel an der seinerzeit diskutierten These Alain Bombards, Schiffbrüchige könnten ihren Trink-wasserbedarf allein aus dem Salzwasser oder dem Fleisch gefangener Fische decken: Der Selbstversuch brachte die Erkenntnis, dass nur durch die Zufuhr von zusätzlich auf-gefangenem Regenwasser ein Überleben möglich wurde.

Zur Person Lindemann
Hans-Günther „Hannes“ Lindemann (28.12.1922- 7.04.2015) war Arzt, Segel-Pionier, Kanute und Autor, der durch Atlantik-überquerungen mit sehr kleinen Booten bekannt wurde. Von 1955 an testete Lindemann in mehreren Selbstversuchen die Möglichkeiten, die ein Schiffbrüchiger hat, unter extremer psychischer und physischer Belastung auf hoher See zu über-leben. 1955 befuhr er in einem 7,70 m × 0,70 m großen und etwa 600 kg schweren, eigens in Liberia gefertigten Einbaum, der Liberia über den Atlantik.
Im darauf folgenden Jahr stach er mit einem noch kleineren Gefährt, einem Faltboot (5,20 m × 0,87 m, 27kg), der Liberia III, zu seiner zweiten Atlantikreise. Lindemann rüstete dazu ein handelsübliches zweisitzi-ges Klepper-Faltboot vom Typ Aerius II mit 60 Lebens-mittel-Konserven, 96 Milch- und 72 Bierdosen sowie 3 Litern Wasser aus und überquerte den Atlantik von den Kanarischen Inseln bis St. Martin auf den Niederländischen Antillen. Zur Navigation führte er einen Sextanten mit, für Ruhepausen einen Treibanker und zum Fischfang Angelzu-behör. Weil er auf einen Kocher jedoch verzichtete, musste er die gefangenen Fische roh verzehren.
In seiner autobiografischen Erzählung „Ein Mann, ein Boot, zwei Kontinente“ beschreibt Lindemann die Erfahrungen seiner dritten und letzten Atlantikquerung von 1960.

Publikationen
Lindemann wurde nach seinen Abenteuern ein erfolgreicher Buchautor. Seine Publikatio-nen wurden unter den Titeln „Allein über den Ozean“, eine logbuchartige Reportage seiner ersten Fahrten, „Ein Mann, ein Boot, zwei Kontinente“ mit der dritten Atlantikquerung von 1960. Im zweiten Buch resümiert er Gespräche mit afrikanischen Staatsmännern und mit Albert Schweitzer, mit dem er eine Zeit lang in Lambaréné (Gabun) als Arzt zusammen-arbeitete. Er verfasste mehrere Werke zum Thema Autogenes Training, arbeitete als Gesundheitspädagoge für das Deutsche Rote Kreuz und hatte einen Lehrauftrag an der Universität Bonn zu den Themen Autogenes Training und Psychohygiene. Seine Ratgeber erschienen in zahlreichen Auflagen.
Ein Auszug aus seinem Erstlingswerk
Die Nächte nach den beiden Kenterungen verbrachte ich voll-kommen übermüdet und durchnässt, liegend auf meinem Boot. Erst nach der Dämmerung gelang es mir endlich wieder in das Kajak zu kriechen. Wertvolle Konservendosen sind bei der Kenterung verloren gegangen. Zudem plagten mich neben dem latentem Schlaf- und Bewegungsmangel auch Abszesse, hervorgerufen von Scheuerstellen des einfachen Ölzeuges und dauerhaft durchnässter Kleidung. Eines meiner Knie schwoll kindskopfgroß an. Darüber hinaus waren Durst und Hunger ständige Begleiter, denn genügend Proviant für die ganze Reise konnte ich ja gar nicht mitführen. Mein Proviantvorrat anfangs des Experimentes umfasste lediglich je elf Dosen Bohnen, Erbsen und Fruchtsalat, je 6 Dosen Karotten, Käse und Thunfisch sowie elf Gläser Honig. Dazu waren noch drei Liter Wasser, 72 Dosen Bier und 96 Dosen Kondensmilch an Bord. Das Auffangen von Regenwasser und der Verzehr roher Fische waren deshalb zum Überleben unbedingt notwendig.
Über seinen ersten, am neunten Reisetag gefan-genen Fisch schrieb Lindemann: „Die Organe schmecken besser als das Muskelfleisch und haben infolge ihres größeren Reichtums an Vitaminen und Mineralien auch größeren Wert. Dann esse ich noch einen Teil des faden Fleisches und hebe den Rest im Schatten des Kompass Gehäuses für den nächsten Tag auf. Eine ganze Tagesration von Konserven ist gespart“
Hannes Lindemanns Fazit der Experimental Reisen
In einem Interview enthüllte er; „Nicht zur Nachahmung empfohlen, aber wer es trotzdem riskieren möchte braucht einen guten Schutzengel! Meine Glückssträhne währte 3 Reisen lang, unglaublich aber wahr.“

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