(publ. 21.12.2024)
Auf den ersten Blick kaum zu erkennen
Blue Whale und ich sind auf unseren Segelreisen im Mittelmeer noch keinem Schwesterchen begegnet, aber im Internet sind wir auf eine Website gestossen, die uns beide in Erstaunen versetzt hat.
Ähnlichkeiten mit der «gefundenen Schwester“ sind eher abstrakt resp. konträr und können auf den ersten Blick nur global erkannt werden. Meine BW war jedoch vor Entzücken fast aus der Haut gefahren.
Wozu sollte dieses Stahlungeheuer ohne Masten dienen? Wer ist der „Master & Commander“ dieses gestrandeten Ungetüms der uns auf dem Bild zuwinkt?
Vorgängig müssen wir noch erwähnen, dass wir über den interessanten Artikel im „Mail Online“ erst am 12. April 2021 gestolpert sind und etliche Stunden recherchierten, um den vorliegenden Aufsatz in dieser „Kurzform“ verfassen zu können.
Willst du die ganze Geschichte erfahren und den charismatischen Besitzer näher kennen lernen, müssen wir dich auf die unteren Spoiler verweisen.
In der Hoffnung deine Neugier vollumfänglich be-friedigen zu können ist der Beitrag in fünf Rubriken gegliedert.

Endlich nach 20-jähriger Bauzeit konnte er seine erste erfolgreiche Testfahrt in der Bucht von Moray Firth unternehmen. Kurz darauf folgte der Langzeittörn, die 2000nm Umrundung England. MacClean arbeitet nun daran, die Erkenntnisse des Törns zu analysieren und den schwim-menden Wal zu modifizieren.
Er ist bekannt, Nichts dem Zufall zu überlassen, und so müs-sen noch viele Hürden genommen werden, bevor er sich auf die 3.000 sm-Herausforderung über den Atlantik wagen kann. In seiner Freiluftwerft in Loch Nevis gibt er dem Scottish Field Reporterin 2019 ein vielversprechendes Statement;
„Es ist ziemlich viel Arbeit erforderlich, um den Wal auf den neuesten Stand zu bringen, und dann werden wir weitere Versuche durchführen,“ sagt der Abenteurer, der derzeit tagelang am Boot arbeitet. „Das wird dieses Jahr sein, und hoffentlich haben wir nächstes Jahr alles zusammen, damit wir unsere Reise planen und beginnen können.„
Bild: Tom als Rudergänger Während wir diese Zeilen
schreiben, sind uns noch keine Schlagzeilen unter-gekommen, welche bestä-tigt hätte, dass Moby‘s Bug nach Westen gerich-tet und die 3000 Meilen Seereise in Angriff ge-nommen wurde. Vermutlich hat auch Tom MacClean das Corona Virus ausge-bremst und Sponsoren sind rar geworden.

Schiffsklasse | Riesenboot in Walform |
Bauweise | Stahl mit Schoten, geschäumter Kunststoff als Aussenhaut |
Antrieb | 2 Dieselaggregate |
Masse | L= 65“ H= 7,62m B= ca. 5m TG= 2,20m |
Gewicht | 60 Tonnen davon Ballast; ?? Tonnen |
Kosten | min. 100‘000 £ (vermutl. ohne Arbeit) |
Über weitere Daten schweigt sich Tom aus und so sind keine Hinweise auf die Geschwindigkeit bei Langfahrt und den Kraftstoffverbrauch zu finden.
Zu befürchten ist, dass die Rumpfgeschwin-digkeit bedächtig und die Abdrift hoch sein dürften, also ersch-werte Manövrierfähig-keiten bei Wind und Wellengang. Das Ge-fährt ist ausschliesslich für eine Atlantiküberquerung konzi-piert und nicht für Hafenmanöver. Als Augenweide ist der schwimmende Koloss wegen der ungewöhnlichen Form ge-schuldet. Die grosse Aussenfläche schreit nach Werbeauf-schriften und Logos. MacClean sucht eifrig nach Sponsoren.
Ein kurzer Lebenslauf
Tom MacClean, am 12.Februar 1942 in den Wirren des 2. Weltkriegs als Sohn einer unverheirateten irischen Mutter geboren, erlebte er eine durchzogene Erziehung in ver-schiedenen Waisenhäusern, welche seinen Charakter formten und ihn schon früh als Einzelgänger prägten.

Drei Jahre später, im Alter von 26 Jahren, machte er sich mit einem kleinen Fischerboot von Neufundland in Kanada auf den Weg, um als erster allein über den Atlantik zu rudern.

Tom MacClean der Abenteurer, der in „Moby“ begraben wer-den will, fügt nachdenklich hinzu: „Es ist alles mental. Große Jungs können viel, auch wenn Sie schmutzig, müde und ihnen kalt ist. Alles kann schief gehen, sie müssen trotzdem weiter-machen und unter Druck lächeln!„
Das war die letzte Nachricht über Tom MacClean bis in diesem Jahr das Projekt „Moby“ erneut lanciert wurde. Der Bau des Walschiffes muss ihn arg absorbiert habe. Freunde munkeln, dass der „gute Einfluss“ seiner Frau wohl an der Verzögerung schuld sei!
Der bekannte schottische Schriftsteller George MacDonald Fraser, Experte der Viktorianischen Epoche von 1837 bis 1901 (s.a. The Flashman Papers) machte 2006 folgende Bemerkung über den Felsen; „In viktorianischen Zeiten hieß es, Rockall besucht zu haben, sei der Inbegriff von Heldentum und mani-festiere die Tapferkeit und den moralischen Charakter des Reisenden wieder.“
Wir lassen diese Aussage stehen und widmen uns der typisch britischen Doktrin über den „nichtsnutzigen“ Felsen.
Bei dem Felsen geht es um nichts Geringeres als das, was du auf See zu sehen bekommst, wenn man überhaupt „Sicht“ hat.
Historisch-geographisch betrachtet ist es ein Ort auf der geopolitischen Achse des britischen Empire und des Kalten Krieges. Es konzentriert sich auf einen bisher nicht aner-kannten historischen Bezugspunkt: Die letzte territoriale Expansion Großbritanniens erhob im Septem-ber 1955 Anspruch auf die winzige Insel Rockall (ca. 750m2), die etwa 380 Kilometer westlich des schottischen Festlandes liegt.
Die Insel wurde annektiert, weil es sich in radioelektrischer Reichweite eines Testgeländes für UK‘s erste Atomrakete befand, den in Amerika hergestellten „Corporal“. Als „takti-sche“ Nuklearrakete, die für einen möglichen Einsatz in Osteuropa konzipiert wurde.
Um euch weitere Details zu ersparen ist noch erwähnenswert, dass dieser letzte expansive Moment des britischen Imperial-ismus durch symbolische und rhetorische Strategien legiti-miert wurde, die Rockall sowohl mit früheren geografischen Erkundungen als auch mit der Wissenschaft der Naturge-schichte verbanden.
In diesem Kontext ist zu verstehen, dass der Anspruch nur aufrechterhalten werden kann, wenn auch humane Präsenz nachgewiesen werden kann. Das sehen wir heute in der Arktis und der Antarktis.
Die grösste Tragödie im Jahr 1904 verur-sachte der Rockall resp. der Kapitän eines Passagierdam-pfers «Norge» mit Kurs New York der es fertigbrachte den Felsen zu rammen. Dabei kamen unglück-licherweise 600 der 700 Emigranten ums Leben. Eine Wahr-scheinlichkeit die einem Lottosechser gleichgesetzt werden kann.
Andere Beispiele für den Kontakt mit der Insel waren weniger gefährlich: Rockall soll mit einem Eisberg, einem Segelschiff, einem Wal und einem U-Boot schon mal verwechselt worden sein. Ein bewaffneter Handelskreuzer, der im ersten Weltkrieg dachte, es sei ein feindliches Schiff, warnte es, sich zu erge-ben, bevor es das Feuer eröffnete.
Noch heute untermauern Reaktionen der Öffentlichkeit, dass den Briten der Fels nicht gleichgültig ist. Auf einen Leitartikel im Manch. Guardian reagierte ein erboster Leser wie folgt;
„Der interessante Artikel über den Rockall muss bei Lesern den Eindruck erweckt haben, dass der Felsen ausser im Jahr 1921 von niemanden bestiegen wurde. Die ist kapitaler Un-sinn und muss nachhaltig berichtigt werden. Zu Ihrer Infor-mation, gelandet ist 1810 ein Mitglied der HSM Endymion, 1862 von der HMS Porcupine und 1887 jemand vom Fisch-kutter Gauntlet…….
Diese Zeilen müssen Tom MacClean motiviert haben den neuzeitlichen Reigen der Überlebensexperten auf dem Rockall zu eröffnen. Er ver-brachte 40 Tage, vom 26. Mai bis 4. Juli 1985 auf dem Fels. So wurde der Anspruch der Briten mit dem „Island Of Rockall Act“ von 1972 bekräf-tigt. Die Medien schwelgten in patriotischen Ausbrüchen und verliehen ihm den Titel „The King of Rockall“.
Der schottische Labour Peer Lord Kennet und ehemaliger Seemann bemerkte in einer Kolumne; „Es ist ein schrecklicher Ort. Es gibt keinen trost-loseren, verzweifelten und schrecklicheren Ort auf der Welt.“ Tom hätte eine Ode darüber anstimmen können.
Seit seiner Aktion wurde 1997 ein Team von Green-peace, das 42 Tage auf der Insel ver-brachte und 2014 Nick Hancock, der 45 Tage verbrachte registriert.
Wann die nächste Präsenz-Demonstration geplant ist, ist nicht öffentlich Bekannt, aber eines ist gewiss, vor dem Event wird eine Putz Equipe eine Säuberungsaktion starten müssen.
Blue Whale möchte nur nachstehendes bemerken, nachdem sich ihre ersten Hormonwallungen zum Schwesterschiff und zu Tom MacClean gelegt und die Bilge geflutet haben:
„Abenteurer haben eine flexible, anpassungsfähige Einstellung zum Leben. Manche Persönlichkeitstypen blühen bei strikten Zeitplänen und Routinen auf – aber nicht die Abenteurer, sie nehmen jeden Tag, wie er kommt, und machen das, was ihnen in diesem Moment richtig erscheint.“
Blue Whale’s trauriges Statement aus dem Trockendock:
„Skip, lass uns Abenteurer sein!“
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