Medicane

ES BRODELT IN DER WETTERKÜCHE

Im September 2020 habe ich nicht schlecht gestaunt, als die Schlagzeilen von einem Medicane im Mittelmeer berichteten.Ich will ehrlich sein, nachdem ich die Schlagzeilen verdaut habe, hat mich die Bezeichnung „Medicane“ etwas irritiert, denn ich wusste nicht wo ich den Begriff einstufen sollte. Als ich aber die verheerenden Bilder sah und die zugehörigen Berichte las, ging mir das berüchtigte Licht auf! Den Betroffenen im südionischen Griechenland hingegen gingen die Lichter sprichwörtlich aus!
Nach den Aufsätzen über den Meltemi und die Isobaren ist dieser Bericht nur eine logische Ergänzung der vorgängigen Themen.
Was war geschehen? Ein kleiner Rückblick mit recherchierten Fakten der Geschehnisse soll helfen dieses Phänomen einzuordnen und die Wassersportfreunde im Mittelmeer aufzurütteln. Nur zu leicht geraten Tragödien dieser Art in Vergessenheit und könnten nebst materiellem Schaden fürs Schiff auch grosses Leid für die Crew bedeuten.
Wie sich meteorologisch ein Medicane entwickelt kann auf dem nachstehenden <Videolink des SRF> beobachtet werden! Wichtiger Hinweis; Erst Video starten, dann Wiederholungstaste links unten drücken.
In den folgenden 4 Spoilern werden die Merkmale eines Medicane aufgearbeitet;

1.) WAS oder WER ist ein Medicane
Immer wenn die Wissenschaft oder Gelehrten ein neues Wort kreieren versucht der interessierte Leser, eine logische Erklä-rung zu finden. In diesem Fall wird es einem nicht schwer gemacht, denn der Medicane hat nichts mit Medizin zu tun sondern soll einen kleinen Hurrikan im Mittelmeer bezeichnen.
Bild unten; Die Wettersituation am 19.09.2020 über Europa!
Der Begriff „Medicane“ entstand aus einer Wort-schöpfung aus „medi-terran“ und dem engli-schen Wort „Hurricane“. Der Begriff kam schon in den 1980-er Jahren auf, als in den Herbstmonaten über dem Mittelmeer orkanartige Wolkenstrukturen auf Satellitenbildern beobachtet wurden. Ob dies frühe Anzeichen der globalen Erderwärmung und deren Folgen geschuldet waren, ist bei den Meteorologen weiterhin umstritten.
Eines aber ist gewiss, mit zunehmenden Wassertemperaturen hat ihre Stärke und Häufigkeit zugenommen. Kleinere Tornados oder Wasserhosen haben sich mittlerweile im „Mare Nostrum“ etabliert und sorgen für wenig Spektakel. Welche Mixtur die Wetterküche benötigt um solche Monster wie das Medicane zu kreieren wird im nächsten Spoiler beschrieben.
2.) Rezeptur & Auslöser eines Medicane
Medicanes, außertropische Wirbelstürme, entstehen meist nur dann, wenn in der herbstlichen Wetterküche nachstehende Zutaten bereitgestellt werden;
                         Schematische Grafik unten nach Jan Bindseil
1. Ein Kaltluft-ausbruch (Strö-mung) aus den gemäßigten Brei-ten in Richtung Äquator.
2. Ein stationäres Tief in den höhe-ren Luftschichten.
3. Eine warme Meeresoberfläche mit min. 26°C
4. Ruhige Wetterlage, so dass kondensierenden Luftmassen aufsteigen und einen Wolkenwirbel bilden können.
Nachdem mit ca. 200 km Aussendurchmesser und den Gewit-tertürmen nun alle Voraussetzungen für einen Medicane ge-schaffen sind, fehlt es an der benötigten Wasseroberfläche. Im Mittelmeer begrenzen die Landmassen die Entfaltung der Corioliskraft welche dann zu schwach ist, um die aufsteigen-den warmen Luftmassen mit dem nötigen Drehimpuls zu ver-sorgen. In der Regel zerfällt diese Konstellation bereits nach wenigen Stunden und endet als gewöhnliches Gewitter. Ein Medicane kann so nicht selbständig entstehen und braucht eine Starthilfe von aussen!
An der Vor-derseite be-sorgt dies heiße Luft aus der Sahara, die von einem Schirokko nordwärts getrieben wird. An der Rückseite wird der Wirbel von atlantischer Kaltluft (Mistral / Bora) ge-puscht, die ins westliche Mittelmeer strömt. Da Medicanes selten einen Durchmesser von mehr als 200 km erreichen und ihre Wärmezufuhr zu gering ist, fehlte es ihnen zudem an kinetischer Energie. Ein Medicane konnte sich daher (bisher!) nicht aus eigener Kraft erhalten oder gar verstärken! Bei einem Hurricane erreicht der Wind seine größte Stärke um das windstille Zentrum, bei einem Medicane entlang der Spiralarme seiner Fronten, vor allem bei deren Okklusion.
Nach der Okklusion beginnt der Motor meist zu stottern, das System zerfällt oft schon Stunden nachdem es sich gebildet hat. Bei „Udine resp. Ianos“ hingegen schien es, als würde der Wind immer enger um das Auge kreisen. Bewirkt haben könnte dies die Wassertempe-ratur im Ionischen Meer. Noch im September war sie so hoch, dass manche Prognosemodelle die Bildung eines tropischen Wirbelsturms im Mittelmeer nicht mehr ausschließen konnten. Deshalb könnte „Ianos“ der erste Medicane gewesen sein, der sich selbst über längere Zeit erhalten konnte.Sollte die Klima-erwärmung weiter so fortschreiten, wird er nicht der letzte gewesen sein.

September und Oktober gelten als gefährlichste Monate. Medicanes drehen sich, wie jedes andere Tiefdruckgebiet auf der Nordhalbkugel auch, gegen den Uhrzeigersinn. Sie errei-chen maximal die Windgeschwindigkeiten eines Klasse-Eins-Hurricanes.
Auch bei Medicanes gibt es eine Klassifizierung:
♣ Mediterranean Tropical Depression: Windgeschwindigkeiten unter 63 km/h
♣ Mediterranean Tropical Storm: Windgeschwindigkeiten von 64 bis 111 km/h
♣ Mediterranean Hurricane: Windgeschwindigkeiten ab 112 km/h (Ianos)
Bild unten: Windgrafik Medicane 17.09.20
Ebenso ge-fährlich wie der Wind sind die gro-ßen Regen-mengen, die sie mit sich führen. Die Zugrichtung von Medicanes wird von der Westwinddrift be-stimmt. Deshalb ziehen sie in östlicher Richtung und nicht wie ihre Verwandtschaft westwärts über die Ozeane.
Seit Beginn der Aufzeichnungen wurden an die zwanzig Medi-canes dokumentiert. Ähnlich wie bei Hurrikans, gab es auch Jahre in denen sie vermehrt auftraten und solche die völlig frei von diesen außertropischen Wirbelstürmen waren.

3.) Drehbuch des Medicane IANOS
Donnerstag 16.09.2020 UTC 08:00 (Bild lin. mit Klick öffnen) Südlich von Italien formt sich im Laufe des Mor-gens über dem warmen Mittelmeer ein subtro-pisches Sturmtief. Als sich im Sturmzentrum ein Auge ausbildet wird er zu einem außertropi-schen Wirbelsturm hoch-gestuft. Nun ist er ein Medicane mit knapp über 300 km Aussendurchmesser und heißt Udine. Er bewegt sich auf die südlichen Ionischen Inseln resp. den Peloponnes zu. Wer noch nicht nach Norden geflüchtet ist versucht eine sichere Bucht oder Anlegestelle zu erreichen.
Donnerstag 16.09.2020 UTC 14:00
Medicane-Alarm in Griechenland!
Die Griechen taufen den Wirbelsturm in „Ianos“ um. Schipper, die der Alarm erreicht, versuchen nach Norden zu entkommen. Alle anderen rüsten sich fürs Unwetter und suchen verzweifelt nach einem geeig-neten Unterschlupf.
Donnerstag 16.09.2020 UTC 18:00
Schon im Laufe des Tages setzen heftige Regenfälle ein. In der Nacht zum Freitag errei-cht der Sturm dann die Küste. Die Windspitzen erreichen bis zu 140 km/h. Die Regenmengen können, besonders auf den Inseln, bis zu 300 Liter pro Quadratmeter erreichen. Es ist mit Überschwem-mungen und Erdrutschen zu rechnen.
Donnerstag 16.09.2020 UTC 22:00
In den Fischerhäfen und Ankerbuchten ist die Hölle ausge-brochen. Die Skipper kämpfen mit Crew und Maus um die Jachten zu sichern, ja vereinzelt sogar ums Überleben.
Freitag 17.09.2020 UTC 02:00
Die Böen erreichen Windstärke 10 – 11. Langsam drehen die Winde von SE nach E. An Land werden verehrende Schäden gemeldet. Die Stromversorgung fällt vielerorts aus.
Freitag 17.09.2020 UTC 06:00
Der Wind dreht weiter nach NE und schwächt sich etwas ab.
Freitag 17.09.2020 UTC 10:00
Der Sturm wütet den ganzen Morgen weiter. Wer nicht schon vorher in Panik geriet, der hat nun auch keine Kraft mehr dazu. Etliche Jachten sinken und stranden.
Der beiliegende <Video-Link> zeigt Eindrücke aus Kefalonia!
Freitag 17.09.2020 UTC 14:00
Der Medicane schwächt sich zu einem mächtigen Sturmtief ab und zieht an der Küste des Peloponnes langsam in Richtung Libyen ab.
Freitag 16.09.2020 UTC 18:00
Wegen der drehenden Win-de kämpfen im südionischen Meer die Jachten mit dem chaotisch hohe Seegang. In den sonst so sicheren Buch-ten versuchen die Jachten den mörderischen Wellen zu ent-kommen.
Samstag 17.09.2020 UTC 04:00
Der Spuk ist vorbei, die hellenische Küstenwache gibt Ent-warnung. Alle, Anwohner und Schiffseigner sind um ein nicht zu beneidendes Abenteuer reicher geworden. 
4.) UDINE oder IANOS
Zwei Segler sitzen beim Sundowner in Gedanken versunken bis der eine Fragt: „Kannst du dich noch an Erika erinnern?“ Der andere verdreht die Augen und bemerkt: „Meinst du die, die so stürmisch geblasen hat?“.
Wäre nicht die Namensgebung von Tiefdruck- und Hoch-druckfronten alltäg-liche Routine müsste man auf unsittliche Gedanken kommen. Das Taufen von Wetterfronten ist weltweit zur Tradition ge-worden und funktioniert Länder- und Kontinent übergreifend. Auch dieser Zyklon wurde getauft, ungewöhnlich ist nur, sie oder er hatte sogar zwei Namen!
In der Namensgebung wird auf die alphabetische Reihenfolge beider Frontarten geachtet. Wer geglaubt hat, dass die Gen-derwächter schlafen, der hat sich geirrt! Weibliche und Männ-lichen Namen unterliegen einem jährlichen Turnus. In geraden Jahren hören Hochdruckgebiete auf männliche und Tiefdruck-gebiete auf weibliche Namen. In ungeraden Jahren ist es um-gekehrt. In unserem Fall ist mir aufgefallen, dass sich die Italiener wohl geirrt ha-ben, denn es war ein männ-liches Orkantief und hätte einen würdigen Namen ver-dient, wie peinlich. Die Griechen haben dies bemerkt und hielten es für erforderlich den Irrtum zu korrigieren. So ist aus der Udine der Ianos geworden, was heute im Trend liegt.
Wenigen Wetterphänomenen kann ein Sinn der Namensge-bung nachgesagt oder abgerungen werden, aber auch diesbe-züglich bin ich fündig geworden.
Warum sich die Italiener für den Namen „Udine“ entschieden haben, wird ihr Geheimnis bleiben, denn Udine, selten auch Undene, französisch OndineWassergeist“, „Nixe“) ist ein weiblicher, jungfräulicher Wassergeist (s. Bild links). Sie gehört zu den sogenannten halbgöttlichen Elementargeistern. Also ein Name, der meinem Erachten nach, bei der „jungfräu-lichen“ Entstehung des Sturmtiefs gut gepasst hat. Eine äusserst scharfsinnige Beobachtung der Italiener.
Die Griechen wollten den Italienern in keiner Weise nachstehen und suchten nach einem tiefsinnigen Namen. In der Namens-gebung verbirgt sich ver-mutlich die Mentalität der Hellenen, die schon immer den Hang zur Dramaturgie und Mythologie hatten. Mit „Ianos“, auch „Ianus“ geschrieben, haben sie sprichwörtlich „den Nagel auf den Kopf“ getroffen. Janus ist in der ursprüng-lichen römischen Mythologie beheimatet und weist mit dem Namen Janus (lateinisch Ianus) auf die römische „Gottheit des Anfangs und des Endes“ hin. Er gehört zu den ältesten römi-schen Göttern (Bild s. oben)

Nicht jede Frage gibt eine Antwort her;
Warum wurde dieser Name gewählt? Hat es etwa damit zu tun, dass der Medicane von Italien kam? Wohl kaum. Eines aber ist gewiss, „Ianos“, der außertropische Wirbelsturm, hat für viele Wassersportfreunde und nicht zu vergessen für Land-bewohner „den Anfang vom Ende“ symbolisiert! Wahrlich, wie in der antiken römischen Bestimmung der Gottheit.

Blue Whales Schlusswort
Blue Whale hatte in Bari zum Glück ca. 450 km Abstand zum Zentrum des Wirbelsturmes. Auch hier machte den Menschen heftige Windböen zu schaffen. Blue Whales Abdeckplane wurde in Mitleidenschaft gezogen und so kann man erahnen, welche Kräfte in unmittelbarer Nähe gewirkt haben müssen.
Ältere Griechen versicherten, dass es solche schweren Stürme in dieser Regelmäßigkeit früher nicht gegeben habe. „Ich stand bis zu den Hüften im Wasser“, sagte eine 86-Jährige am Samstag dem örtlichen Fernsehsender in einem stark betroffenen Dörfchen. „Wir hatten auch früher mal Stürme, aber nie so gewaltig.“
Uns Skippern könnte trotz regelmässiger Wetterbeobachtung ein solches saisonales Unwetter ereilen, denn mit der Geschwindigkeit wie sich diese Ungeheuer entwickeln und herumziehen ist atemberaubend und kein Kraut gwachsen.

Blue Whale und ich bleiben den Lesern einen „guten Ratschlag“ schuldig. Wir sind beide froh, diesem Drama dank „Corona“ entkommen und nicht ausgesetzt gewesen zu sein.

<Back to mainpage Glossar>
<Back to Maritimes Kaleidoskop>

 

 

Vendée Globe 2020/2021

In 80 Tagen um die Welt

Die Sieger der Vendée Globe 2020/2021 sind im französischen Les Sables d’Olonne am 27. Januar über die Ziellinie gesegelt. Die Regatta um den Globus ist zwar noch nicht zu Ende, aber aus Gründen der Aktualität erlaube ich mir schon jetzt eine Reflektion der Geschehnisse. In der langjährigen Geschichte des Rennens durften wir eine noch nie dagewesene Spannung und Dramatik, die das Renngeschehen begleitet hat, erleben.
Gestattet mir, noch vor dem Rückblick des Rennablaufs, eine kleine literarische Note aus der Vergangenheit voraus zu senden. Den älteren oder belesenen Generation werden beim Anblick des Untertitels Erinnerungen wachgerufen, der sich im Text „In 80 Tagen um die Welt“ manifestiert, denn so ähnlich hat sich auch die aktuelle Vendée Globe zugetragen, einziges Gefährt – SEGELBOOT -.
PS. Für lesefaule Zeitgenossen habe ich eine knapp 27 minütige Zusammenfassung hinterlegt die mit atemberaubenden Bildern das ganze Rennen dokumentiert <der Link>. Wegen der Länge des Beitrages und Übertragungsschwierigkeiten auch noch die Linkadresse – https://youtu.be/1PdnfF5qm1g –

Literarischer Rückblick
Jules-Gabriel Verne, der französische Schriftsteller und Mitbegründer der Science Fiktion Romane, hat 1873 das vielbeachtet und futuristische Buch „In 80 Tagen um die Welt“ geschrieben. Seine Vision den Erdball, für damalige Zeiten unvorstellbar kurzen 80 Tagen zu umrunden, ist schon lange Wirklichkeit geworden, hat aber selten eine solche Überein-stimmung wie das aktuell Vedée-Abenteuer erfahren.
Auch dass die Rennjachten nahe „Point Nemo“ vorbei-segelten, und somit die Nautilus und den Bestseller „20‘000 Meilen unter dem Meer“ heraufbeschwören, oder das Kap Horn sichteten wo sich die Seekrimi-Anekdode „Der Leuchtturm am Ende der Welt“ abge-spielt haben soll, ist wohl eher Zufällig. Diese schon fast vergilbten und in Ver-gessenheit geratenen Romane dürften eine Renaissance erleben, denn die neunte Auflage der Vendée Globe hat sie wieder in Erinnerung gerufen, wo sie vermutlich dank der 80 Tage Renndramatik länger verbleiben dürften. Aber nun zum wahren Geschehen im nächste Spoiler, der „Vendée Globe 2020/2021“.
Die Vendée Globe 2020/2021
Auf Blue Whale’s Webseite ist schon ein Beitrag zu diesem Thema publiziert worden „Gladiatoren der Ozeane“, aber die Intensität und die Spannung der diesjährigen Vedée Globe schreit förmlich danach, die Geschehnisse Revue passieren zu lassen. Deshalb beschränkt sich dieser Aufsatz mit ergänzen-den Informationen zum erwähnten Beitrag wo allgemeine Infos nachgelesen werden können. In diesem Bericht ist nur der Ablauf des aktuellen Rennens (Karte & Video) wiederge-geben. Die 9.Aus-gabe der Vendée Globe kam zu einem unglaub-lichen Crescendo als acht Skipper die Ziellinie vor dem französ. Küstenort an der Biskaya, in Les Sables d’Olonne, innerhalb von 23 Stunden 44 Minuten überquerten. Die Teilnehmer und ihre Yachten kannst du mit Klick aufs Bild öffnen. 
Nicht nur eine Rekordteil-nehmerzahl von 33 Booten sondern auch die atypi-schen Abfolge von Wetter Systemen in Atlantik und Ozean, vermutlich dem Klimawandel geschuldet, haben die Superlative mehrfach übertroffen.
Die Top 10 bzw. 12 Boote haben sich während der 28‘500nm an verschiedenen markanten Punkten zwangsläufig gruppiert und das Rennen quasi neu gestartet. Fulminant war die Ziel Einfahrt der ersten 5 Boote, die nach 36 Stunden das Podium beanspruchten. Ein aussergewöhnliches Rennen, welches noch lange in Erinnerung bleiben wird. 
Havarien & Rettungsaktionen (08.11.2020-01.12.2020)
11.11.2020 Jérémie Beyou muss wenden, in der Sturmnacht sind die Backstage gebrochen und ein Ruderschaden ist auch noch zu verzeichnen. Für Reparaturarbeiten wird er in den Starthafen zurück kehren und versucht das Rennen später wieder aufzunehmen
Armel Tripon muss Beidrehen, er ist mit einem Gegenstand kollidiert und beschädigt ein Foil.
16.11.2020 Nicolas Troussel hat etwa 260 Seemeilen nord-westlich der kapverdischen Inseln im Sturmtief „Theta“ sein Rigg verloren und muss aufgeben.
19.11.2020 Armel Tripon muss erneut beidrehen und Schäden im Rigg reparieren
22.11.2020 Alex Thomson muss Strukturschäden am Bug reparieren und fällt zurück.
25.11.2020 Thomas Ruyant meldet Schaden an den Tragflächen und fällt zurück.
27.11.2020 Thomas Ruyant muss sein BB-Foil verkürzen und Alex Thomson wird merklich langsamer.
28.11.2020 Alex Thomson muss nun wegen Ruderproblemen das Rennen endgültig aufgeben. Er weicht nach Kapstadt aus.
Alex Thomson noch vor der Havarie aus besseren Zeiten

30.11.2020 Kevin Escoffier hat seinen Notruf-Sender ausgelöst und ist in die Rettungsinsel umgestiegen.

Nachstehend die Ereignisse am 01.12.2020;
Wer hätte am 30. November ahnen können, dass die Such- & Rettungs- Aktion für den havarierten Skipper, Kevin Escoffier (Video), das Endergebnis dermassen beeinflussen würde? Jean le Cam, Sébastien Simon (später Ausgeschieden), Yannick Bestaven und Boris Herrmann eilten Kevin Escoffier zu Hilfe. Die zurzeit führenden Charlie Dalin und Thomas Ruyant waren zu weit voraus, um sich an der Rettungsaktion beteiligen zu können. Klick auf Karte öffnet Havarie OrtDie Rennjury gewährten demzufolge Zeitgutschriften für die verlorene Zeit und den Sucheinsatz. Die ungewöhnlichen Wetterbedingungen bedeuteten dann, dass es bis zum Ziel ein hart umkämpfter Wettbewerb bleiben würde.

Havarien & Rettungsaktionen (02.12.2020-27.01.2021)
02.12.2020 Sébastien Simon ist mit einem Gegenstand kollidiert und hat schwere Schäden zu verzeichnen. er muss das Rennen aufgeben.
03.12.2020 Samantha Davies hat das gleiche Schicksal ereilt wie Sébastien Simon der nun auch Wassereinbruch verzeichnet. Auch für Samantha dürfte in guter Position liegend (beste Skipperin) das Rennen zu Ende sein.
06.12.2020 Jean le Cam konnte Kevin Escoffier der Marine übergeben. Die drei Havaristen Thomson, Simon und Davis geben auf. Sie sind in Kapstadt angekommen.
08.12.2020 Louis Burton und Damien Seguin fallen mit großen technischen Schwierigkeiten zurück.
11.12.2020 Fabrice Amadeo im Verfolgerfeld auf #25 liegend steckt Kurs auf Kapstadt ab, sie muss aufgeben.
15.12.2020 Charlie Dalin muss beidrehen und einen Schaden am Backbord-Foil beheben.
17.12.2020 Thomas Ruyant der Zweitplatzierte hat offenbar ein Leck im Vorschiff.
18.12.2020 Lois Burton hat es als nächsten erwischt. Er wird einen Reparaturstopp nahe der Macquarie Insel einlegen müssen und weit zurückfallen. Er kehrte am 21.12. wieder im Rennmodus zurück. 23.12.2020 Ein Videorückblick des ZDF bei Rennhälfte, Dauer 6:47Min. (Link mit Mausklick auf Markierung)
02.01.2020 Die Spitze hat Kap Horn umrundet!
05.01.2021 Boris Herrmann beklagt Risse im Grosssegel und Isabelle Joschke, die Zwischenzeitlich bis auf Platz #5 vorgedrungen war meldet Probleme mit dem Schwenkkiel.
10.01.2021 Isabelle Joschke meldet Totalschaden am Schwenkkiel. Sie ist die letzten Tage immer mehr zurückgefallen und muss das Rennen aufgeben. Clarisse Cremer ist nun beste Skipperin auf Platz #12.
16.01.2021 Sébastien Destremau weit zurückliegend muss vor Neuseeland aufgeben. Ohne Autopilot und weitere technische Geräte ist es zu gefährlich weiter zu segeln.
18.01.2021 Boris Herrmann hat erneut Segelprobleme und fällt etwas zurück.
27.01.2021 Boris Herrmann havariert mit einem Fischertrawler 90nm vor dem Ziel und kann sich nur noch in langsamer Fahrt dem Ziel nähern.

Das war kurz vor Zieleinlauf der Spitzengruppe die letzte Havariemeldung. Diese Eilmeldung hat nicht nur Freunde schockiert. Der Franzose würde sagen; C’est la vie!

Zieleinlauf & Podestplätze
Zwischen Mittwoch (27.01) und Donnerstagabend beendeten die ersten acht Boote innerhalb von 23 Stunden und 44 Min die Cirkumnavigation. Die Dramatik und Spannung wird erst durch den Vergleich mit dem Rennen von 2016 verdeutlich, als zwischen dem Sieger Armel Le Cléac’h und dem achtpla-tzierten Boot eine Zeitspanne von 19 Tagen und 19 Stunden registriert wurde. (Bild unten; Charlie Dalin, der erste im Ziel)
Drei Skipper wurden mit Zeitkompen-sationen belohnt, Boris Herrmann, Yannick Bestaven und Jean Le Cam. So musste gewartet werden bis Jean le Cam das Rennen beendet hatte und die endgültige Rangliste feststand.
Bestaven gewann mit seinen 10:15 Stunden gutgeschriebener Zeit, Charlie Dalin, der als Erster die Ziellinie überquerte, wurde als Zweiter und Louis Burton als Dritter gewertet.
Boris Herrmann, der noch kurz vor der Havarie als Sieger ge-handelt wurde, ist auch noch von Jean Le Cam abgefangen worden, weil dieser die grössere Zeitgutschrift verbuchen durfte.              (Bild unten; Yannick Bestaven der Sieger)
Yannick Bestaven wurde als Gesamt-sieger dieser neun-ten Ausgabe ausge-rufen. Er beeindru-ckte mit seiner Fäh-igkeit, hart, schnell und konstant im südlichen Polarmeer zu segeln und im letzten Sprint mit einer perfekten Taktik, aber auch mit seiner Aufrichtigkeit und Sportlichkeit an Land zu brillieren. Auf dem Podium vor dem daneben stehenden Charlie Dalin und jubelnden Gästen er-klärte er: „Es gibt zwei Gewinner an dieser Vendée Globe!“
Charlie Dalin, der Skipper von Apivia, wurde an der Spitze der Flotte bejubelt, landete jedoch offiziell auf dem zweiten Platz und verpasste den Gesamtsieg um weniger als drei Stunden. Eine kaum zu überbietende Dramatik.
Der letzte Platz auf dem Podium ging an Louis Burton, der an Bord seines „betag-ten“ Bootes, dass das Rennen 2016 gewann, volles En-gagement und Ent-schlossenheit zeigte. Diese Tatsache führt ins Bewusstsein, dass auch „alte“ Renn-ungeheuer nicht abgeschrieben werden dürfen.
Das Rennen wird auch für die heldenhafte Rettung von Kevin Escoffier durch Jean Le Cam in Erinnerung bleiben, der durch die Zeitgutschrift auf dem vierten Platz bestätigt wurde. Jean hat bewiesen, dass man auch im mittleren Alter von 61 Jahren, keineswegs seine Segelfertigkeiten einbüsst, und nicht unterschätzt werden darf.
Im Bild Jean Le Cam der Oldie in seinem Element

Einige Stunden vor dem Ziel hatte der deutsche Skipper Boris Herrmann Schreckensmomente zu überstehen. Er kollidierte mit einem Fischtrawler der seine Träume zunichtemachte. Kurz vor dem Vorfall kämpfte er noch immer um den Sieg. Die Taktik, sein modifi-ziertes älteres Boot, mit einer material-schonenden Fahr-weise konstant an der Spitze zu halten, war nicht nur nerven-aufreibend, sondern hat sich auch bewährt. Nach achtzig Renntagen ein solches Schicksal zu erleiden, zeigte wieder einmal die grausame Seite einer Vendée Globe Veranstaltung auf.
Nur mit dem sechsten Schlussrang belohnt war Thomas Ruyant der Verlierer der diesjährigen Globe.  Diese Position wiederspiegelt seine Leistung auf dem Wasser in keiner Weise. Der Skipper von LinkedOut verbrachte zwei Drittel des Rennens in den Top Drei, obwohl er sich vor Einfahrt in den Indischen Ozean ein Foil gebrochen hatte.
Die Enttäuschung wird für ihn schwer zu überwinden sein, zumal er als Favorit gehandelt wurde und das wohl innovativste Schiff im Feld sein eigen nennen durfte. Der aus Nordfrankreich stammende Skipper wird sicherlich noch länger mit der Enttäuschung zu kämpfen haben.
Der zweimalige paralympische Meister Damien Seguin belegte den siebten Platz und beeindruckte alle, indem er seiner Erfolgsliste eine weitere Heldentat hinzufügte.Mit nur einer Hand geboren, wollte er beweisen, dass jeder versuchen sollte, seine Träume zu verwirklichen auch wenn er handikapiert ist. Er dürfte nicht nur für Segler ein Vorbild und Idol werden.
Der italienische Skipper und ehemalige Uni-Dozent für Philo-sophie, Giancarlo Pedote mit Sitz in Lorient, Bretagne, belegte den achten Platz und erzielte die beste Leistung, die ein Italiener in der Vendée Globe Geschichte jemals abschloss.
Schließlich kehrte der Lokalmatador Benjamin Dutreux am Freitagmorgen (29.01) nach Hause zurück und wurde weniger als 24 Stunden nach der Ankunft des ersten Bootes in dieser außergewöhnlichen Vendée Globe Ausgabe Neuntplatzierter.
Heute Samstag, erreichte Maxime Sorel mit V & B Mayenne, als Zehnter die Ziellinie. Seine Rennjacht wurde schon in Jahr 2007 gebaut und hat an zwei Vedée Globe Rennen teilgenom-men, aber heute zum ersten Mal den Kurs beenden können. Zuvor musste das Schiff wegen diversen Havarien vorzeitig die Rennen abbrechen.

Schlussgedanken zum Finale
Das Rennen ist noch lange nicht zu Ende. 15 Skipper und Skipperinnen sind noch unterwegs und kämpfen um die Ehre das härteste Rundum Rennen beenden zu können. Darunter sind fünf Frauen die die Achtung der Segelscene verdienen, vor allem, die Französin Clarisse Cremer, die als zwölfte ins Ziel kommen dürfte.
Experten sind sich einig, dass diese Auflage das wohl verrücktesten Ren-nen um die Welt war, die Vendée Globe 2020/2021! Sie wird bald in die Geschichte eingehen und in nächster Zukunft wohl kaum zu toppen sein. Auch Jules Verne dürfte anlässlich der Spannung und Dramatik des Rennens sich im Grabe umgedreht haben.
Trotzdem fiebern wir bereits einer Neuauflage entgegen. Die Zehnte Vendée Globe 2024 als Jubiläum dürfte viel Innova-tives im Gepäck haben und vor allem junge und talentierte Gladiatoren der Ozeane hervorbringen. Auch diese Neuauflage in vier Jahren werden wir mit gleichen Erwartungen, Hingabe und Intensität verfolgen.
Segelsaison – Abschluss oder Neuanfang?
Es ist müssig über den Abschluss resp. den Neuanfang zu philo-sophieren, denn sie hat 2020 wegen der Corona Epidemie nicht oder nur gebeutelt stattgefunden. So war es ein Highlight an der diesjährigen Vendée Globe als virtueller Gast teilnehmen und ohne Gefahr von Havarien mitsegeln zu dürfen. Eine zeitfüllende Be-schäftigung im nimmer endenden Lockdown. So wurde über mehr als zwei Monate des Seglers Herz erfreut, natürlich nur für jene, die nichts Besseres vorhatten, durften oder konnten.
Den Rückblick ist mit diesem Bericht geschlossen, aber eine opti-mistische Perspektive für die Segelsaison 2021 fehlt noch. Blue Whale träumt schon von Begegnungen mit Jachten die mit paral-lelen Kurs auf Seen oder Meeren unterwegs sind, wo Skipper zu uns rüber schielen und eifrig, ja unermüdlich die Segel trimmen und die Crew herumhetzen. Spätestens dann wissen wir, das die Neuauflage der Vendée Globe gestartet hat und wir mitten drin sind.

<Back to Maritimes Kaleidoskop>     <Back to Glossar>